Den Blickfang im Blut

Mike Hieronymus zeigt seine Bilder derzeit in einer Ausstellung im „Hotel am Triller“

Den Blickfang im Blut
13.03.2020

Menschen und die Popkultur haben es ihm schon immer angetan. Der Saarbrücker Pop-Art-Künstler Mike Hieronymus fand erst spät zu seiner eigentlichen Berufung. Aber dann mit Erfolg.

Erst Dekorateur, dann Werbegrafiker. In beiden Berufen geht es darum, zunächst den Blick des Betrachters einzufangen. Dann geht die Story weiter. Ob es um die Geschäftsauslage geht oder das Produkt und die Philosophie eines Unternehmens. Wenn der erste Blick gefangen ist, muss er gehalten werden. Das ist die Kunst dieser Professionen.

Der Künstler stellt in seinen Bildern bekannte Comicfiguren in einen anderen Kontext
Der Künstler stellt in seinen Bildern bekannte Comicfiguren in einen anderen Kontext – Foto: Dorothee Wendel

Das kann Mike Hieronymus perfekt. Was früher Broterwerb und an Regeln, Vorgaben und natürlich die Anforderungen des Kunden gebunden war, darf er heute frei tun.

Und er tut es. Und diese Freiheit tut ihm gut. Die Freude an seinem Schaffen, den eigenen Arbeiten, springt einem förmlich daraus entgegen.

Hieronymus’ Vater, der selbst als Kaufmann tätig war, bestand darauf, dass der Sohn etwas „Vernünftiges“ lernt. Aber kreativ durfte es schon sein, das wollte der junge Mike unbedingt.

Mike Hieronymus, 1961 in Saarbrücken geboren, zog mit seinen Eltern als Sechsjähriger nach München. Bis zu seinem 13. Lebensjahr wuchs er dort auf. Nach Trennung der Eltern kehrte Mike mit seiner Mutter wieder zurück nach Saarbrücken. Von seiner Lehre als Dekorateur ist der heute 59-Jährige noch immer begeistert. Die umfassende Ausbildung, die sowohl künstlerisch als auch handwerklich mit Malen, Schreinern und Tapezieren ausgerichtet war, sorgte dafür, dass er „vor keinem Material Angst hat.“

Der Großvater war es, der als Freund des Saarbrücker Malers Otto Lackenmacher seinen Enkel in dessen Atelier brachte. Gegen ein kleines Salär durfte Mike sich dort aufhalten und dem renommierten, aber finanziell klammen Maler über die Schulter schauen. „Das war tödlich“, lacht Mike Hieronymus „ein mahnendes Beispiel wie es nicht laufen soll, aber sehr prägend für mich.“

Den Beruf des Dekorateurs gab er auf, wurde dann Grafikdesigner und arbeitete in München in mehreren Agenturen. Nach gut drei Jahren kehrte er jedoch zurück. Das Verhältnis von Einkommen zu Lebenshaltungskosten – „In Saarbrücken lebe ich besser“ – war ein Grund für die Rückkehr in seine Geburtsstadt.

Sein Großvater unterstützte ihn

Gemalt hat er schon immer. Comicfiguren aus einem Heftchen durchgepaust und „alles vollgekritzelt“, was sein kunstaffiner Großvater sehr wohlwollend sah. Grundsätzlich waren Menschen sein Motiv und besonders die Popkultur hatte es ihm angetan. Musiker und Schauspieler, die er mal ano­nym, mal als Prominente künstlerisch und eigen interpretiert malte. Mit Ölkreide habe er viel gemalt und seine Arbeiten in den berühmt berüchtigten Kellerkneipen ausgestellt. Ein Bild, welches damals den „Hades“, die bekannte Saarbrücker Kneipe zierte, hat Hieronymus noch immer in seinem „Archiv“. Aber auch in der Münchener Bewirtungsszene stellte er seine Kunst aus. Er erinnert sich gern an eine besondere Ausstellung 1988 in einer Münchener Kellerkneipe, die dazu noch einem Saarländer gehörte.

In seiner Brust schlagen zwei Städteherzen und so freute sich der Künstler ganz besonders, 2019 für eine Ausstellung seiner aktuellen Werke in der „Happy Galerie“ nach München zurückzukehren. „Das war ein wirkliches Highlight für mich!“

In Hieronymus’ Galerie, der Galerie Elitzer in Saarbrücken, wird oft gefragt, ob Hieronymus sein Künstlername ist. Tatsächlich heißt er so nach seinem Nürnberger Vater. Die Umwandlung von Michael in Mike beruhte ebenfalls auf familiären Zusammenhängen. Er habe noch Kontakt mit seiner amerikanischen Familie in Memphis und Nashville. So eine internationale Familie sei schon prima und ermögliche „einen Blick auf alles“.

Nicht nur Hieronymus’ Kunst hatte in Kneipen ihr Debüt. Eine Kneipe prägte auch seinen beruflichen Werdegang. Als Stammgast im „Irish Pub“ in Saarbrücken kam er mit deren irischem Unternehmensberater ins Gespräch. Nachdem dieser seine Ideen hörte, meinte er: „Komm zu uns!“. So geschah es 1997 und der Grafikdesigner baute die Werbeabteilung der Dwyers Irish Pub Group mit insgesamt 15 Gaststätten auf und war dort über elf Jahre Leiter der Werbeabteilung.

2008 machte er sich dann selbstständig. Viele Aufträge für die Gastronomie und auch Start-ups erfüllte er mit seiner Ein-Mann-Firma und deckte das gesamte Werbepaket von der Visitenkarte über den Social-Media-Auftritt ab.

Ideen entstehen zuerst im Notizbuch

Künstlerisch kreativ war er immer. Ein Freund brachte 2015 den Stein ins Rolle, als Hieronymus mit seinen aktuellen Arbeiten an die Öffentlichkeit ging. Dieser besaß in seinem Ladengeschäft eine riesige weiße Wand und meinte: „ Deine Bilder müssen unbedingt gesehen werden!“ Nach dieser Ausstellung nahm Mike Hieronymus die eigene Werbung in die Hand und „dann nahmen die Dinge Fahrt auf“ erzählt er. Irgendwie staunt er selbst noch darüber. Im Sommer 2017 erschienen erste Zeitungsartikel über den Saarbrücker Pop-Art-Künstler, dessen Werke mit viel Lokalkolorit und mit viel Humor Aufmerksamkeit erregten.

Mit liebevollem und feinsinnigem Blick bringt Hieronymus bekannte Comicfiguren in einen ebenso bekannten Kontext und schafft im Zusammenspiel eine überraschende neue Geschichte.

Seine Bilder entstehen zunächst in einem giftgrünen Notizbuch. „Zunächst ist da die Basis-Idee, dann kommen weitere Gedanken hinzu. Zu München beispielsweise: Münchener Kindl, Bussi- Bussi-Gesellschaft und so weiter.“

Hat er ausreichend gebrainstormt, setzt er sich an den Computer. „Ich bin Grafiker durch und durch.“ Wenn das passende Material für den Hintergrund gefunden ist, macht der Künstler seinen Entwurf im Grafikprogramm und probiert „wie es so funktioniert“ was er sich vorgestellt hat. Gern übernimmt er auch Auftragsarbeiten. „Natürlich muss sich der Auftraggeber auf meine Kunst einlassen – die kann man dann zu bestimmten Themen haben.“

Es kommt auch vor, dass er sich durch ein Bild oder einen Film inspirieren lässt. „Manchmal wird es auch ganz persönlich“ erzählt er. Zum Beispiel mit seiner Schokoladensucht. Damit nimmt er sich selbst und alle anderen „Süchtigen“ so sympathisch auf die Schippe, dass es fast therapeutisch ist. Die saarländische „Maggi-Sucht“ ist jedoch keine persönliche. Sein beliebtes Motiv mit dem er diese saarländische Vorliebe vorführt, ist nicht seine eigene. „Ich benutze kein Maggi“, erzählt er schuldbewusst. Auch von seinem Galeristen Philipp Elitzer kommt so manche Inspiration. Er nimmt sie „überallher wo ich sie kriege“, lächelt Mike Hieronymus verschmitzt.

„Viele meiner Bilder hängen in Küchen.“ Das bekommt Hieronymus als Rückmeldung von seinen Kunstkäufern. Wen wundert’s, wenn sich seine Bilder doch so oft mit Genüssen befassen und mit ihrer Fröhlichkeit und Buntheit die Sinne ansprechen. Er greift gern ins pralle Leben, aber subtil und versöhnlich. So liegt das HB-Männchen sinnlich lasziv vor Ausschnitten aus dem „Playboy“. Wer genau hinschaut, entdeckt dann aber auch die Langnese-Eis-Werbung – zum Abkühlen.

Es sind auch durchaus kritische Themen, über die Hieronymus in seinen Bildern hintergründig und tiefgründig den Betrachter zum genauen Hinschauen auffordert. Seine Serie „45th“ beispielsweise, ein Titel der zunächst ganz wertneutral auf den 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika hinweist. Eine wütende Micky Maus vor der Flagge der USA, Pacman, der vor der amerikanischen Flagge statt Punkten kleine Häufchen frisst, oder der Grashüpfer auf einer Patronenhülse reitend, sind stark kritisierend, aber sein Humor macht hier die Kunst.

„Als nächstes Thema haben wir Außerirdische“

Ein Blick auf kleinere Pop-Art-Arbeiten von Mike Hieronymus
Ein Blick auf kleinere Pop-Art-Arbeiten von Mike Hieronymus – Foto: Dorothee Wendel

In Hieronymus’ Arbeiten sah auch Philipp Elitzer das passende Angebot für die Galerie. Die Saarbrücker Galerie, 1851 gegründet und seit 1909 in Familienbesitz, hat die Pop Art zu einem festen Bestandteil ihres Programms gemacht. Und die Galerie passt zu Mike Hieronymus. „Ich werde durch die Galerie Elitzer vollständig vertreten, sie übernehmen alles Organisatorische.“ Auch der Anstoß, mit dem renommierten Künstler Julius und anderen Künstlern der Galerie gemeinsame Sache zu machen, kam von Philipp Elitzer.

Julius und Mike Hieronymus fanden nicht nur künstlerisch zusammen. Die Chemie stimmte und beide hatten viel Spaß an ihrer Zusammenarbeit. „Es ist ein konträres Arbeiten, aber wir beide ticken ähnlich“, beschreibt es Hieronymus. Er vergleicht ihre Gemeinsamkeit mit der Kollaboration von Basquiat und Warhol. Das Gemeinschaftswerk „So What!?“, das Bild mit dem Duffy, ist in der Ausstellung in der Galerie zu sehen. Dazu die Einzelwerke der beiden Künstler. Weitere gemeinsame Arbeiten sind geplant. „Als nächstes Thema haben wir uns Außerirdische vorgenommen.“

Mike Hieronymus genießt die Öffentlichkeit. Als Künstler in seinen Ausstellungen im Rampenlicht zu stehen und zu seinen Bildern angesprochen zu werden, all dies ist für ihn ein angenehmer Kontrast zum „einsamen“ Arbeiten im Atelier. Ihn interessiert es, wie seine Ideen bei den Leuten ankommen und wie sie darauf reagieren. So nutzt er gern die Social-Media-Kanäle, um eine erste Reaktion auf ein neues Werk zu bekommen. Da gibt es durchaus kritische Reaktionen, wenn beispielsweise eine Comicfigur nicht ganz genau so wiedergegeben ist wie das Original. „Die Betrachter haben einen Wohlfühlfaktor“, beschreibt es Hieronymus. „Die Figur muss genau so sein wie man sie kennt.“

Er selbst ist Fan der Graffiti- und Urban Art. Was nicht heißt, dass er auch mal einen Vertreter davon, den berühmten Banksy, zum Ziel seines kritischen Humors macht. Das ein oder andere Werk eines Urban-Art-Künstlers ziert seine Wohnung. Dort ist auch sein Atelier und Arbeitszimmer. Seine Frau Sabine unterstützt ihn „dermaßen“, erzählt Hieronymus stolz. Sie ermutigte ihn so, sich ganz und gar der Kunst zu widmen. „Das macht dich glücklich“, konstatierte sie und freut sich über seinen Erfolg, der sich inzwischen auch bezahlt macht.

Dorothee Wendel

Mike Hieronymus’ Bilder sind derzeit im „Hotel am Triller“ und in der Galerie Elitzer zu sehen.

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